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Leserfragen beantwortert von Dr. Thomas Shepherd

JA Zeitschrift, Ausgabe 03/2017

Praktisches Christentum und göttliche Wahrheit


Lieber Dr. Tom

Soweit ich weiß, bezeichneten Charles und Myrtle Fillmore ihre Arbeit als „praktisches Christentum“. Was meinten sie damit? – W.K., Dover, Delaware


Liebe/r W.K.

Die Fillmores setzten sich das Christentum zur Aufgabe, aber sie verstanden den Glauben von Jesus als eine Reihe von spirituellen Lehren, nicht als Satz unanfechtbarer Doktrinen. Die kürzeste Definition, die Charles Fillmore gab, stammt aus The Revealing Word („Das offenbarende Wort“): „Die Lehren von Jesus, praktisch im eigenen Alltag angewendet.“ Fillmore erweiterte diese Idee in anderen Schriften, zusammengefasst in Dynamics for Living:

Praktisches Christentum und [göttliche] Wahrheit stehen auf derselben Grundlage und sind austauschbare Begriffe. Praktisches Christentum ist keine Theorie, die ihren Ursprung im menschlichen Denken hat; ebenso wenig ist es eine Offenbarung an die Menschheit von irgendeinem Propheten, dessen Wort allein als unbezweifelbare Autorität hingenommen werden müsste … [Das praktische Christentum] hat keine Dogmen oder Glaubensbekenntnisse, auch wird von denen, die es studieren, nicht erwartet, irgendetwas zu glauben, was sie nicht logisch als wahr erweisen können …

Die Fillmores waren flexibel und undogmatisch, aber eisern darin, Unity müsse im jüdisch-christlichen Glauben verankert bleiben. In der Lebenszeit der Fillmores bedeutete Christentum, einer positiven Lebensweise zu folgen, die von den Lehren von Jesus Christus geformt und von seiner sich aufopfernden Liebe inspiriert war. Leider wurde das Wort Christ zwischen den 1940-er Jahren und den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts von lauten und intoleranten Befürworten eines Einbahnstraßen-Dogmas gekapert, die den judäischen Meisterlehrer und Heiler zum einzigen Repräsentanten von Gottes Wahrheit uminterpretierten. Mit dem Rückhalt der elektronischen Medien schaffte es diese engstirnige Perspektive erfolgreich, sich als vorgegebene Definition davon, was es heißt, heute ein Christ zu sein, zu etablieren. 

Selbst von Anhängern von Jesus, die inklusiv und universalistisch sind – wie es Jesus selber war –, wird heutzutage erwartet zu erklären, wie sie sich Christen nennen können, ohne ein Wörtlichnehmen der Bibel zu akzeptieren oder den anti-wissenschaftlichen Unsinn zu vertreten, der die deutlichen Beweise für die Evolution leugnet und behauptet, die Erde sei 7.000 Jahre alt.

Unity ging aus dem progressiven transzendentalistischen Christentum und den Heil-Gebetsdiensten des Amerika des 19. Jahrhunderts hervor. Man kann nicht Religionsgeschichte studieren und zu dem Schluss kommen, Unity sei keine christliche Bewegung. 

Die Fragen, die bleiben, sind: Wie viel vom christlichen Erbe sollen wir für uns in Anspruch nehmen und beibehalten, und was für eine Art von inklusivem, universalistischem Christentum sollen wir in diesem neuen Jahrhundert mit an den Tisch der Konfessionen bringen?

Wie ich schon oft zuvor gesagt habe, Intoleranz und Ignoranz machen einige Gespräche unmöglich, daher schlage ich nicht vor, dass wir ausziehen, um die Herzen und Sinne von Leuten zu verändern, die meinen, sie wären die einzigen, die in den Himmel kommen. 

Als metaphysischer Theologe jedoch würde ich gerne sehen, dass Unity stolz und kühn sein ursprüngliches Etikett Praktisches Christentum wieder in Anspruch nimmt. Als Repräsentanten dieser biblischen und historischen Tradition können wir uns dem Dialog mit progressiven Menschen aus allen menschlichen Glaubensrichtungen anschließen und Wege entdecken, um diese Welt zu einem besseren Ort für all die Kinder all der Götter zu machen.


Abgedruckt in der JA-Zeitschrift Ausgabe 03 2017 


 

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