Für Kinder ab 12
Wider die Gewalt oder
"Mein ist die Rache, redet Gott." (C. F. Meyer)
Das klingt doch vernünftig, oder? Es ist aber schwer einzuhalten -
besonders
wenn man von seinen Mitschülern so gepeinigt wird wie Christoph Lesinger.
Ein milder Wind strich durch die Bäume, und das Blattwerk der Büsche,
das nach einem kräftigen Frühlingsregen dichter geworden war, raschelte leise.
Für ein paar Augenblicke war jedoch nicht der Wind die Ursache für das
Rascheln, sondern etwas anderes: ein zweibeiniges Wesen, das zur 3a gehörte und
nach dem Primus ausspähte.
Christoph merkte nichts. In Gedanken sah er sich schon beim
Wohnzimmertisch der Tante sitzen – sie bringt den duftenden Kuchen herbei,
und ihre vertraute Stimme sagt freundlich: "Hier, bitte schön!" Aber
nicht: "Hier, bitte schön!", klingt es plötzlich durch den Wald,
sondern: "Hilfe! Hilfe!" Und es ist nicht die Stimme der Tante, es
ist die Stimme eines Mädchens. Oder sind es gar zwei?
Mit einem Ruck blieb Christoph stehen.
"Hilfe! Hilfe!", ging es wieder los. Die hellere der beiden
Stimmen kam Christoph auf einmal bekannt vor. Sie passte zu Liese Hollauf.
Und die andere?
Julia Heckmann!
Julia? Vor kurzem hatte sie behauptet, sie hielte sich nachmittags
lieber vor dem Fernseher als im Wald auf. War sie damals vielleicht doch mit
dem Burschen aus der Burckhardtgasse hier in der Nähe umhergestrolcht?
Christoph zwängte sich in jener Richtung durchs Gebüsch, aus der die
Hilferufe gekommen waren. Er brauchte nicht lange zu suchen, bis er Liese und
Julia fand – beide mit Wäscheleinen an zwei nebeneinander stehende Fichten
gefesselt!
"He, Leslie! Befrei uns!", rief Julia, und Liese brüllte
unnötigerweise noch einmal: "Hilfe! Hilfe!"
Christoph zögerte.
"Komm schon, bind uns los!", forderte Julia den Primus der 3a
auf. Der guckte sich ängstlich nach Feinden um und trat scheu näher.
"Leslie, du bist unser Retter!", flötete Liese.
"Was ist denn passiert?", fragte der "Retter"
verlegen.
"Tummel dich! Bind uns los, bevor der lange Lulatsch zurückkommt!",
drängte Julia.
"Was für ein Lulatsch?" Christoph dachte an den langen Blonden
aus der Burckhardtgasse.
"Frag nicht, mach schon!", zischte Julia. "Du musst den
Knoten lösen!"
Christoph bückte sich und tastete die Wäscheleine ab.
Na so was, da gab’s keinen Knoten! Die beiden Enden der Leine waren nur
locker miteinander verschlungen.
"Warum hast du dich nicht losgerissen?", fragte Christoph
verwundert.
"Wie denn? Der Kerl hat uns verschnürt wie ein Postpaket",
erwiderte Julia.
"Einer allein euch beide?" Christoph guckte seine Mitschülerin
verdutzt an. Sie zog die Brauen zusammen und drohte: "Bind mich endlich
los, sonst knall’ ich dir eine!"
Christoph fragte sich, wie sie das fertig bringen wollte, solange sie
gefesselt war – da knallte es wirklich, und zwar ohrenbetäubend! Der
Waldboden erzitterte. Kaum zehn Meter entfernt stieg hinter einem Busch eine
Rauchwolke hoch, und aus derselben Richtung stürmte eine wilde Bande mit
schrillem Indianergeheul daher – Egon Guggenberger, Karl Friedrichs, Klaus
Kellerer und mindestens ein Dutzend andere Schüler aus der 3a!
Christoph riss die Augen auf und wich einen Schritt zurück, da hatten
ihn die Burschen schon an Armen und Beinen gepackt! Er schrie und strampelte
vor Angst, aber seine Gegner brüllten noch lauter und banden ihn im
Handumdrehen an einem Baum fest. Mit übermütigem Gejohle sprangen sie um den
Gefangenen herum, bis plötzlich einer den Lärm übertönte: "Ruhe! Es geht
los! Gustav, Hugo! Geheimwaffe heranfahren! Platz gemacht, Leute!"
Mit der "Geheimwaffe" macht sich Jürgen endgültig zum "Bandenführer" der Klasse, Christoph wird sein Opfer. Wie kann er sich wehren?
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zu diesem Buch:
Titel: "Vergnügt dahin"
von Toni Traschitzker
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