Für Jugendliche ab 14
Kann man mit verstorbenen Eltern reden?
Warum nicht? Der Sigispitzpudelobermayer tut es.
Aufgewachsenen ist er bei seiner Tante, und die hat es nicht leicht mit ihm.
Nachdem er endlich den Abschluss der Hauptschule geschafft hat,
wäre sie froh,
wenn er einen Arbeitsplatz fände.
In der Heinrichgasse läutete Sigi
bei Luthe, aber niemand kam zur Tür. Da spazierte Sigi weiter, und als er die
Brücke über die Sappnitz erreichte, beschloss er, das Grab seiner Eltern
aufzusuchen.
Diesmal stand nur der kleinere
Flügel des eisernen Tors offen, also wurde die Ruhe auf dem Friedhof nicht
durch den Lastwagen des Steinmetzbetriebes
gestört. Sigi ging langsam durch die Gräberreihen. Er wunderte sich über
die vielen Blumen, die trotz der Hitze nicht verdorrt waren. Auch die Rosen auf
dem Grab seiner Eltern wirkten noch frisch. Tante Margit hatte sie am Vormittag
gegossen. Schweigend blieb Sigi stehen und schaute den Bienen zu, die um die
Blütenblätter herumsummten.
„Sigi, jetzt hast du’s fast geschafft!“,
glaubte er die Stimme der Mutter zu hören. In Gedanken antwortete er: „Ich
hoffe schon. Übermorgen krieg’ ich das Abschlusszeugnis für die Hauptschule – ohne Fünfer!“ – „Wird aber auch
endlich Zeit!“, mischte sich der Vater ein. Die Mutter fügte hinzu:
„Morgen ist für dich ein entscheidender Tag!“ – „Ja, leider“, bestätigte Sigi.
„Mich graust’s schon vor dieser Frau Greifeisen – oder heißt’s ,Greifholz‘?
Jedenfalls mag ich übertrieben vornehme
Leute nicht. Könnt ihr vielleicht ein bisschen nachhelfen, damit sie
morgen besonders gut gelaunt ist?“ – „Alles liegt an dir, wenn du wirklich Koch werden willst“, meinte die
Mutter. – „Und wenn ich am liebsten gar nichts wollte?“, wandte Sigi
vorsichtig ein. – „Dummkopf“, erwiderte der Vater. „Möchtest du dich
etwa gleich zu uns herlegen lassen? Sei nicht blöd! Schau, wie schön es heute
ist! Das Leben kann herrlich sein. Ich wär’ gern ein bisschen länger geblieben;
deine Mama auch ...“
Sigi kratzte sich nachdenklich den
Lockenkopf. „Ich bin hoffentlich nicht schuld daran, dass ihr so früh hierher
übersiedelt seid, oder?“, fragte er nach einer Weile in Gedanken. „Besuchen komm’ ich euch gern; aber ganz dableiben – das wär’ mir um ein
paar Jahrzehntchen zu früh.“ – „Na siehst du!“, lachte der Vater. „Dann musst
du jetzt ja wissen, was du zu tun hast.“ – „Klar: mich für heute
verabschieden.“ Sigi schmunzelte. „Langsam wird mir nämlich das Herumstehen in der Sonne zu heiß. Macht’s gut, ihr
zwei! Morgen komm’ ich bestimmt wieder und erzähl’ euch, wie’s mir bei Frau
Greifholz ergangen ist.“
Sigi verließ den Friedhof. Auf dem
Heimweg schlenderte ihm Peter Pauke entgegen – mit Hund.
„Hallo,
Peter! Hallo, Hund!“, begrüßte Sigi die beiden. „Treibt ihr wieder euer
Suchspiel?“
„Nein,
dafür ist’s mir heute zu warm“, antwortete Peter. „Weil du grad vom
Suchen redest – wie geht’s dir bei deiner Lehrstellensuche?“
„Morgen könnte es klappen: als Koch
bei einer gewissen Frau Greifeis... – ach nein – Greifholz ... verflixt! Ich bring’s dauernd durcheinander!“
„Den Namen deiner zukünftigen
Lehrmeisterin wirst du dir aber merken müssen.“
„Leider. Ich könnt’ ihn ja auf ein
Schild schreiben und ihr das Schild umhängen.“
„Hoffentlich knallt sie es dir nicht
um die Ohren und feuert dich im hohen Bogen!“ Peter lachte hell auf. „Mach dir
nichts draus, Sigi, du kommst dann einfach zu meinem Onkel! Der sucht, soviel
ich weiß, seit einiger Zeit einen Lehrling für seine Konditorei.“
„Mensch, das wär’ was für mich!
Kuchen und Kekse backen kann ich schon.“
„Ich weiß! Und die Hälfte davon
würdest du selber verspeisen – hast du mir einmal gesagt.“
„Genau!
Da müsste dein armer Onkel seinen Laden nach zwei Wochen zusperren.“
„Falls du nicht schon nach zwei Tagen
geplatzt bist.“ Peter lachte wieder. Sigi stimmte vergnügt mit ein, und Hund
bellte freudig dazu, als hätte er jedes Wort verstanden.
Ganz so einfach wird es mit der Lehrstelle für Sigi nicht. Können ihm seine
Eltern helfen? Oder vielleicht sein Freund Leo? Der hat vor einiger Zeit mit
ein paar Freunden eine eigene Firma gegründet!
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Titel: "Witzbold"
von Toni Traschitzker
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