Simissa oder die Rückkehr der Jugend 

Ttitelbild: Simissa oder die Rückkehr der Jugend


Für alle, die Pensionsgeld zahlen müssen

Wenn Alte plötzlich wie Junge aussehen...

Simon Altmeister hat Pech! Nach einer Gesetzesänderung muss er
drei Jahre länger als geplant auf seinem ungeliebten Arbeitsplatz ausharren!

Es ist nicht einmal sicher, ob das neue Gesetz verschärft wird.
Simon entscheidet sich für eine ungewöhnliche Lösung.


Leseprobe

Simon überlegte kurz, dann kritzelte er schnell etwas aufs oberste Blatt:

Guten Morgen, lieber Muskelkater!

    Oder sollte er sicherheitshalber schreiben: „Guten Morgen, liebe Muskelkaterfamilie!“? Nach der Bergwanderung musste er jedenfalls mit entsprechendem „Katzenbesuch“ rechnen ...
    „Probieren wir’s einfach!“, sagte Simon zu sich selber, während er den Zettel aufs Nachtkästchen legte. „Vielleicht wird’s ja doch nur ein Muskelkätzchen.“
    Nein, nein – es wurde ein ausgewachsener Kater, wie sich am nächsten Morgen herausstellte. Dennoch konnte das Katzentier Simons gute Laune nicht vertreiben. Das schaffte allerdings eine Schlagzeile in der Zeitung. Simon entdeckte sie gleich nach dem Frühstück:

Erst mit 72 in Pension?

    Darunter grinste den Lesern das Foto eines bekannten Ministers entgegen.
    „Was?! Der Trottel schon wieder?!“, entwischte es Simon. Hastig überflog er die Schreckensnachricht. Seinem lieben Freund Asozial schwebte tatsächlich vor, das Pensionsantrittsalter noch einmal anzuheben, und zwar auf zweiundsiebzig Jahre. Die erste Begründung dafür war alt und bekannt: Der Staat müsse sparen. Neu hingegen hörte sich die zweite Begründung an: Ein klarer Beweis dafür, dass die Menschen immer länger lebten, sei die Jugendseuche.
    „Ja ist der Kerl übergeschnappt?!“, tobte Simon, und in seiner Wut schlug er mit der rechten Faust so heftig auf das Zeitungsfoto, dass er gleich darauf aufheulte, als hätte er sich ein paar Finger gebrochen.
    „Ich Obertrottel!“ Fluchend hastete er ins Bad und kühlte sich die Hand unter kaltem Leitungswasser.
    „So ein Erzgauner!“, fauchte Simon vor sich hin. „Zweiundsiebzig Jahre! Wenn er das auch wieder durchsetzt, fehlen mir noch sieben Jahre! Wie soll ich das finanziell durchstehen? Ich glaube, ich bring’ den Kerl um!“
    Simon zitterte vor Wut. Er vermied es, in den Spiegel zu schauen. Da musste in diesen Sekunden ein furchterregendes Gesicht herausstarren...
    Mindestens zwei Minuten lang ließ Simon das Wasser über seine Hand fließen, bis sie sich eiskalt anfühlte. Simon beruhigte sich und wagte einen Blick in den Spiegel.
    Na fein, keine Spur von Angst einflößenden Zornesfalten!
    „Du Esel“, sagte Simon zu dem Spiegelgesicht. „Du alter, alter Esel!“ Er grinste plötzlich und fügte in Gedanken hinzu: „Gar so alt siehst du nicht einmal aus. Nicht einmal wie sechzig.“
    Er atmete tief durch und kehrte zur Zeitung zurück.
    Wie war das mit der Jugendseuche eigentlich gemeint?
    Simon las den Bericht über die Ziele des Ministers weiter, fand eine Beschreibung der „Jugendseuche“ – und staunte. Bei diesem Wort hatte er bisher immer an „Jugendwahn“ gedacht: an die krampfhaften Versuche älterer Leute, sich so zu geben wie Jugendliche – bei der Kleidung, im Freizeitverhalten, sogar bei der Redeweise. Aber aus dem Zeitungsbericht ging klar hervor, dass eine Krankheit gemeint war, seltsamerweise ohne körperliche Beschwerden. Sie zeigte sich vor allem durch Änderungen bei Haut und Haaren. Fachleute sprachen von „Faltenrückbildung“, „Hautglättung“, „verstärktem Haarwuchs“, „Rückkehr der natürlichen Haarfarbe“. Dazu kam es bei manchen Erkrankten zur „Rückbildung von überschüssigen Fettpolstern“. Keinesfalls jedoch waren Veränderungen des „Muskel- und Knochengewebes“ feststellbar. Beschwerden des „Bewegungsapparates“ blieben nach wie vor bestehen. So konnten die Betroffenen zwar sehr jung aussehen, aber weiterhin an Altersschwächen leiden. Besonders anfällig schienen Personen mit einer „Neigung zu heftigen Gemütserregungen“ zu sein.
    Die Ursache für die rätselhaften Veränderungen an Haut und Haaren war unklar. „Experten“ tippten auf „Handy-Strahlung“, jedenfalls auf einen „engen Zusammenhang mit Elektrosmog“. Die vielen modernen elektrischen Geräte bei der Arbeit, im Haushalt und in der Freizeit seien also die „Wurzel des Übels“. Ein paar „Witzbolde“ hingegen meinten, die Krankheit wäre absichtlich von Leuten aus dem „Umfeld des Sozialministers“ ausgelöst worden, damit er ein „weiteres Argument zur Erhöhung des Pensionsantrittsalters“ hätte.
    „Verrückt. Verrückt das Ganze!“ Simon schüttelte ungläubig den Kopf. „Dieser Bericht muss ein Jux sein. Eine Zeitungsente. Na klar! Was sonst? Haha!“
    Simon hatte seine gute Laune plötzlich wiedergefunden. Er überlegte kurz, dann holte er hastig seinen Notizblock. Keine zwei Minuten später stand auf dem obersten Zettel geschrieben:

Ach, wer sie durchschauen könnte,
diese tolle Zeitungsente!
Ein fauler Trick auf jeden Fall
vom saub’ren Mister Asozial!

    „So, du ... Mister ...“ Grinsend klopfte Simon mit den Fingern auf das Foto des Sozialministers. „Du kriegst mich nicht mehr dran.“

Simon ahnt noch nicht, dass er sich wegen „Mister Asozial“ mehr einfallen lassen wird als nur ein paar heitere Reime. Etwas viel Schlimmeres ahnt er erst recht nicht...

 

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