Für Leser ab 10
Eine
„Zauberuhr“ ...
... so nennt der Großvater die 63 Jahre alte Taschenuhr,
die er Willi zum Geburtstag schenkt.
Am Fluss Reisilla hat Willi ein
herrliches Rastplätzchen gefunden. Genau an dieser Stelle, wo der Fluss schnell
und doch völlig still verbeifließt, erlebt Willi sein erstes Wunder mit
Großvaters „Zauberuhr“.
Immer wieder ließ Willi seine Blicke übers
Wasser gleiten, flussabwärts und flussaufwärts. Er vergaß, dass er vorhin noch
daran gedacht hatte, denselben „Rekord“ seines Papas und dessen Brüder zu
schaffen. Er vergaß auf die Zeit. Ein schneller und doch lautloser Fluss – so
ein Erlebnis musste man einfach genießen ...
Willi merkte nicht, wie lange er so in
Gedanken versunken an der Reisilla hockte. Plötzlich näherte sich auf der
anderen Seite des Flusses ein aufdringliches Gebrumm. Ein Auto.
„Spielverderber!“, dachte Willi. Erst
allmählich wurde ihm klar, dass da drüben eine Straße verlief – dieselbe
Straße, auf der er vorhin gewandert war. Ein merkwürdiger Gedanke huschte Willi
durch den Kopf: „Wenn ich schnell – ganz, ganz schnell, unendlich schnell – bis
hierher gerannt wäre, könnte ich von hier aus sehen, wie ich gerade da drüben
vorbeigehe ... oder nicht?“
So ein dummer Gedanke! Das ging ja gar nicht!
Da müsste man so schnell wie eine Mondrakete sein. Oder noch schneller! Nein,
das ging einfach nicht. Oder man müsste irgendwie ... mit der Zeit zaubern
können ...
Wie von allein glitt Willis rechte Hand
unter den Pullover und zog die Seitasine hervor.
Mit der Zeit zaubern ... so ein
Unsinn ...
Willi musste plötzlich gähnen. Er trat
einen Schritt zurück und setzte sich so an die Böschung, dass er den Rücken an
einen Baumstamm lehnen konnte.
Wieder musste Willi gähnen. Mit einem Blick
auf das Zifferblatt sah er, wie spät es war.
Sieben Uhr siebenundfünfzig.
Ohne nachzudenken, zog er das Rädchen der
Uhr nach außen, sodass sich die Zeiger verstellen ließen. Er drehte das Rädchen
vorsichtig, der Minutenzeiger bewegte sich langsam rückwärts.
„Das reicht“, murmelte Willi, und er
drückte das Rädchen nach innen.
Sieben Uhr siebenundvierzig.
Etwa um diese Zeit war Willi auf der
gegenüberliegenden Seite des Flusses vorbeigegangen; und von hier aus, wo er
sich jetzt an einen Baumstamm lehnte, hätte man ihn um sieben Uhr
siebenundvierzig auf der anderen Seite der Reisilla sehen müssen – zumindest
für ein paar Augenblicke.
Ah, dort drüben bewegte sich etwas! Ging da
jemand?
Groß war er jedenfalls nicht, vermutlich
noch ein Kind; eines mit kurz geschnittenen, dunklen Haaren; also eher kein
Mädchen, sondern ein Bub. Etwa mit einem hellblauen Pullover? – Ja,
genau ...
„Ich glaub’, ich spinne“, dachte Willi
gähnend. „Geht da drüben ein Doppelgänger von mir? Oder bin ich’s selber?
Blödsinn, ich träum’ ja schon. Jetzt seh’ ich niemanden mehr. Und meine
Seitasine – die geht falsch.“
Willi seufzte müde. Er zog das Rädchen der
Uhr nach außen und stellte sie wieder auf sieben Uhr siebenundfünfzig. Und ein
kleines bisschen dazu.
„Ich Rindvieh hätt’ nicht so rennen sollen“,
dachte er. „Ich könnte auf der Stelle einschlafen. – Aber was ist denn das da?“
Erst jetzt bemerkte er neben einem dicken
Grasbüschel eine dunkelrote, blecherne Getränkedose. Irgendein Schmutzfink
hatte sie achtlos weggeworfen.
„Das gibt’s nicht“, dachte Willi. „Da
schmeißt einer mitten in der schönen Natur einfach seinen Mist weg! Der weiß
wohl nicht, was sich gehört. Wenn ich den erwischen würde, dem tät’ ich was
erzählen, diesem – Dosenschmeißer!“
Kurz darauf ist die dunkelrote Dose plötzlich verschwunden; und nachdem Willi noch einmal seine Uhr verstellt hat, taucht der „Dosenschmeißer“ auf und wirft die Dose weg. Aber halt – wie kann das möglich sein? Weil Willi wieder an seiner „Seitasine“ – Großvaters „Zauberuhr“ – gedreht hat?
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Titel: "Ticke tacke ticke tacke..."
von Toni Traschitzker
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