Losungswort Drahtseil

oder auch: Losungswort Freundschaft


Endlich Ferien – aber für Heiner schaut’s nicht gut aus: Nachprüfung in zwei Schulfächern und kein Taschengeld! Mama hat es ihm gestrichen – als „Denkzettel“ für die Wiederholungsprüfungen ...
 
Ganz schön streng von Mama, aber andererseits –  sie trägt allein die Verantwortung für Heiner. Nach der Scheidung vor Jahren hat sie es verdammt schwer, allein alles irgendwie in die Reihe zu kriegen! Ja, „irgendwie“! Mama ist beruflich voll eingespannt, hat eine anstrengende Tätigkeit im Krankenhaus zu bewältigen und ist entsprechend müde und abgespannt, wenn sie nach Hause kommt – und eben nicht immer grenzenlos liebevoll und geduldig, wenn sie z. B. von Heiner hören muss, dass er nicht gleich zu Anfang der Ferien mit Volldampf für die Nachprüfungen zu lernen gedenkt …
 
Was tut man aber, wenn Ferien sind, Mama in der Arbeit steckt, man keinen Knopf Geld in der Tasche hat – Taschengeld ist ja gestrichen – und im Hinterkopf ständig den Nachprüfungsfrust mit sich herumschleppt und fast immer den ganzen Tag sich selbst überlassen ist?
 
Man lungert mit zwei sogenannten „Freunden“ im Park herum, von denen man längst spürt, dass sie eigentlich keine „richtigen Freunde“ sind, vor allem nicht der Ältere von beiden: Vinzenz – ein präpotenter Bursche, welcher Heiner wie ein Kindergartenkind behandelt!
 
Auf einer Parkbank verliert eine ältere Dame, beim Herumkramen in ihrer Tasche, ausgerechnet ihr Sparbuch. Dies beobachten die drei „Freunde“. – „Heinerle, hol’s her!“
 
Unselige Geschichte, in welche Heiner jetzt hineinrutscht! Warum bloß lässt er sich von den beiden auch immer herumkommandieren? Ist ihm deren „Freundschaft“ so wertvoll?
 
Heiner fühlt, dass dem überhaupt nicht so ist, ganz besonders jetzt, da der kleine Betrag am Sparbuch ihn dazu verleitet, sich an fremdem Gut zu vergreifen! Doch Heiner hat noch ein intaktes Gewissen, welches ihn nun sehr, sehr quält, abgesehen von der Angst, vielleicht ein Riesenproblem mit der Polizei – und anschließend mit Mama – zu bekommen ...
 
Ja, Heiner hatte einen „schwachen Moment“! Zumindest ein mickriges „Taschengeld“ hätte er sich „beschaffen können“ – wenn da nicht ein Losungswort im Sparbuch gestanden hätte! Und wenn da nicht der verhängnisvolle Zettel mit dem vermeintlichen Losungswort dringesteckt wäre! Was für eine Blamage gegenüber der Bankangestellten! „Leider – Losungswort ungültig.“
 
Der Traum ist futsch, das schlechte Gewissen nach dem missglückten Versuch bleibt!
 
Heiner durchlebt bange Stunden! Was soll er tun, was kann er tun? Am besten wäre wohl, das Sparbuch klammheimlich in den Postkasten der alten Dame zu werfen, damit der ganze Spuk für allemal ein Ende hat. Aber: Wo hängt der Postkasten, wie heißt die Dame?
 
Heiner ist ohnehin sich selbst überlassen, das heißt, er hat Zeit, Detektivsinn zu entwickeln und in Ruhe auf die Suche zu gehen. Vielleicht – wenn ein anständiger Mensch was verbockt hat und es ehrlich wieder gutmachen will – vielleicht hilft da auch der Himmel ein wenig mit ...
 
Heiner braucht nicht lange zu suchen, er findet die Besitzerin des Sparbuchs! Er findet sie im Garten ihres schmucken Häuschens, wo sie sich gerade mit Holzarbeit plagt!
 
Heiner kennt sich selbst nicht mehr. Eben war er noch der „Freund“ von rüden Burschen und hatte versucht, ein Sparbuch zu „knacken“; und jetzt ...
 
Ja, diese stille, zarte, ältere Frau übt einen besonderen – einen guten – Einfluss auf ihn aus! Dies gelingt ihr so nachhaltig, dass Heiner jedes Mal spontan ihr zu Hilfe kommt, wenn sie Hilfe braucht! So etwas hätte er sich bis vor kurzem nicht träumen lassen! Anfangs kam er sich noch jedes Mal vor wie ein „Trottel“, wenn er immer so schnell seine Hilfe anbot – wie unter einem inneren Zwang ...
 
Es ist schon seltsam: Frau Anna, so heißt die alte Dame, braucht nur einen Wunsch zu äußern, und schon zieht Heiner los, ihr zu helfen! Ja natürlich – auch sein schlechtes Gewissen, was das Sparbuch von Frau Anna anbelangt, trägt einen Teil dazu bei! Schon bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit hat er das Sparbuch in Frau Annas Postkasten geworfen und gespürt, welch schwerer Stein ihm sogleich von der Seele geplumpst ist!
 
Es gibt jedoch noch einen „zweiten Stein“ – eigentlich sogar deren zwei, nämlich diese beiden Wiederholungsprüfungen, welche ihm ebenfalls schwer auf der Seele lasten!
 
Heiner hätte sich nicht träumen lassen, woher hier Hilfe kommt! Mutti hat ja viel zu wenig Zeit und ist, wenn sie von der Arbeit nach Hause kommt, immer sehr müde! Sie macht ihn absolut nervös mit ihrem „Lern-Drängeln“!
 
Wirkliche Hilfe kommt nun von Frau Anna! Schon in kurzer Zeit entsteht ein wunderbares Vertrauensverhältnis zwischen ihr und Heiner. Und bald rutscht Heiner auch die Sache mit den Nachprüfungen heraus, und Frau Anna schlägt ihm vor, dieses Problem gemeinsam anzugehen!
 
Heiner hätte nie gedacht, dass ein Mensch, welcher doch schon lange keinen Schulstoff mehr in sich hineinpauken musste, so ein phänomenales System für „kreatives Lernen“ draufhaben könnte! Sowohl Englisch als auch Geographie hat für Heiner bald jeden Schrecken verloren. Es ist eine Freude, mit Frau Anna zu „lernen“! Heiners Motivation und Fleiß – sie erreichen Höhenflüge!
 
Auch Frau Anna vertraut Heiner etwas an. Sie erzählt ihm von ihrer Tochter und Enkelin in Amerika und von ihrer großen Sehnsucht, beide wieder einmal sehen zu dürfen, beide vielleicht eines Tages wieder für immer um sich haben zu dürfen ...
 
Fast hätte Heiner die eigentliche Ursache ihres Kennenlernens schon vergessen, aber eben nur fast! Ja, Heiner, welcher um ein Haar zum Betrüger an einem alten Menschen geworden wäre, spürt, dass er endlich „beichten“ müsste ...
 
Auch andere Sorgen plagen ihn: Immer wieder tauchen „seine Freunde“ in ungünstigsten Momenten auf, obendrein auch eine junge „Spionin“: eine schrille Sirene mit dumm-dreistem und lächerlich-kokettem Gehabe – eine Seelenverwandte bzw. Verbündete von Vinzenz und dessen Kumpel Reinhold, welche Heiner manchmal den letzten Nerv raubt! Sie will Näheres über Heiners „geheimnisvolle Nachhilfefreundin“ herausfinden.
 
Zum Glück erfährt Heiner durch seinen inzwischen so vertrauensvollen Kontakt mit Frau Anna eine überaus wertvolle Lebensschule und steht längst „über den Dingen“. Der junge Bursch und die alte Frau – sie helfen einander weiterhin, jedes auf seine Weise, aus vollem Herzen!
 
Die peinliche Sache mit dem falschen Losungswort ist für Heiner allerdings noch lange nicht zu Ende, auch nicht nach seiner „Beichte“. Ein zweites Mal spielt ein Sparbuch samt Losungswort Schicksal für ihn und seine „geheimnisvolle Freundin“ ...
 
„Losungswort Drahtseil“ – alleine schon die optische Gestaltung dieses bezaubernden Buches, die so liebenswerten, lebensechten Illustrationen, führen uns in eine Welt, in welcher auch noch das Wahre, Schöne, Edle seinen angestammten Platz hat und behalten darf. Die feinfühlig ersonnene, spannende Handlung ist ein überaus kostbares Geschenk für die jungen Menschen unserer so problembelasteten Zeit!


L. M. G., Österreich

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