Kommentar zum Buch „Auf der Suche nach Nimbao“ von Maria G. Baier-D’Orazio

Auf der Suche nach Nimbao – eine Suche nach sich selbst

Ein Sinterondo, ein neuer Herrscher, wird für das Land Ironlobe gesucht! Die Entscheidung soll zwischen zwei jungen Männern fallen: Bako, dem Gelehrten, „in allen Wissenschaften gleichermaßen bewandert“, und Yanzagou, dem Heilkundigen, der „die Ursache von Krankheit und Leid zu erklären“ vermag. Beide sollen, um ihre Eignung als Sinterondo zu beweisen, eine Aufgabe erfüllen: „Besucht die Reiche, die im Süden und Norden, im Osten und Westen an unser Reich grenzen. Geht deren Völker und Städte kennen lernen, reist umher und kommt nach zehnmal zehn Nachtzeiten zurück, um von dem zu berichten, was ihr gesehen und erlebt habt. Es ist gewiss, dass einer von Euch sich mit Nimbao als Sinterondo offenbart.“ – Was ist Nimbao? Das herauszufinden gehört ebenfalls zur Aufgabe der beiden Anwärter!

Der ehrgeizige Bako macht sich sofort auf den Weg – in der festen Überzeugung, dass er der Richtige sei und es mit Hilfe seines Verstandes und seiner Gelehrsamkeit schaffen werde. Yanzagou hingegen, der eher nach dem Herzen als nach dem Verstand handelt, zögert zunächst und hält seine Wahl für einen „Irrtum“. Doch die Aussicht, als Sinterondo vielen Menschen helfen zu können, macht ihn empfänglich für den Rat seiner Mutter: „Sei stets offen und bereit [...] und denk dran: Nicht du suchst das Große, das Große sucht dich.“

Die beiden Helden müssen unterwegs vielerlei Gefahren bestehen. Das größte Abenteuer ist wohl jenes, das sich in ihrer Persönlichkeit abspielt. Besonders der ehrgeizige, selbstbewusste, sogar in der „Kriegskunst“ ausgebildete Bako muss seine Schwächen erkennen – bis hin zur Verzweiflung. Die Reise in fremde Länder wird für ihn zugleich eine Reise in seine eigene innerste Welt: in seine Vorstellungen von einem gerechten Zusammenleben der Menschen, in seine Art, andere Menschen zu beurteilen, in seinem Denken über Mann und Frau. Die Selbsterkenntnis der Helden dieses Buches fordert den Leser unweigerlich zum Mitdenken heraus: Wie ist denn das bei mir selber?

Geschickt wechselt die Autorin immer wieder zwischen den Abenteuern der beiden Helden hin und her und schafft dadurch zusätzliche Spannung. Zuletzt wartet sie mit einem überraschenden Schluss auf.

Das Buch bietet wesentlich mehr als ein gewöhnlicher Abenteuerroman: neben äußerer Spannung auch viel innere Spannung mit Einblick in das Seelenleben der Hauptpersonen. Auch rein sprachlich taucht man als Leser in eine eigene Welt ein: Es ist eine Sprache, die ganz ohne Mode- und Fremdwörter auskommt: anschaulich und mit phantasievollen sprachlichen Bildern und Umschreibungen. („Sein Verstand weigerte sich, das anzunehmen, was sein Auge erblickte.“)

Bei der Lektüre des Buches drängte sich mir der Wunsch auf: Mögen sich doch viele „Herrscher“ und „Verantwortliche“ auf die „Suche nach Nimbao“ begeben – und sei es wenigstens nur in jener Weise, dass sie dieses Buch lesen und darüber nachzudenken beginnen!

A. T., Österreich

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