Die Fernsehlotti 

Titelbild: Die Fernsehlotti


Für Jugendliche ab 13

Erst beneidet, dann verspottet...

wird die dreizehnjährige Lotti - weil sie im Werbefernsehen auftreten darf!
Ein Mann vom Fernsehen hat sie entdeckt: für die Rolle eines kleinen Mädchens
mit ausgestopftem, dick machendem Kleidchen und drolliger Zopffrisur!


Leseprobe

„Vielleicht wird’s heute nicht mehr so arg“, hoffte Lotti, als sie am nächsten Morgen zur Schule ging. Doch diese Hoffnung zerplatzte schon vor dem Haupteingang des Schulgebäudes. Einige Erst- oder Zweitklassler, die Lotti nicht kannte, standen auf den Stufen herum und schwatzten miteinander. Ein kleiner Dürrer mit einer Frisur wie ein Igel erblickte Lotti, presste sich plötzlich die eine Hand vor den Mund und boxte mit der anderen seinem Nebenmann in die Seite.
     Lotti zuckte zusammen. Sie ahnte Schlimmes und hastete vorbei.
     „Klar, das ist sie!“, zischelte einer hinter ihr. „Das EBO-Baby!“
     Lotti zuckte wieder zusammen. „Zerreiß den Kerl!“, schrie etwas in ihr. Doch ihre Beine waren abermals klüger und trugen sie eiligst durch das Haupttor hinein und in die Garderobe.
     „So eine Gemeinheit! So eine hundsgemeine Obergemeinheit!“, ärgerte sich Lotti in Gedanken noch immer, als sie kurz darauf in den ersten Stock zum Klassenzimmer der 3a hinaufstieg. „Nun fangen auch noch wildfremde Trottel zu spotten an! Wenn jetzt irgendwer in der Klasse etwas Falsches sagt, fliegt er beim Fenster hinaus!“
     „Guten Morgen, Lotti!“ Elsa erwies sich wieder einmal als nett und freundlich. Ein paar andere, die ebenfalls schon da waren, achteten nicht auf Lotti.
     „Guten Morgen, Elsa“, grüßte Lotti zurück und seufzte erleichtert.
     Kurz darauf traf Angela ein. Schon von weitem flötete sie: „He, Lotti! Gestern hab’ ich dich gesehen, gleich dreimal! Ich hab’ extra aufgepasst.“
     „Sei still!“, zischte Lotti. Sie wusste sofort, wo Angela sie gesehen hatte.
     Angela trat eilig näher, stellte ihre Tasche auf die Schulbank und sagte unbekümmert: „Mir gefällst du! Ein liebes, kleines Dickerchen – das hast du großartig gespielt!“
     Noch bevor Lotti etwas erwidern konnte, mischte sich die blonde Sandra grinsend ein: „Was heißt ,großartig gespielt‘ – spielen muss Lotti ein Dickerchen sowieso nicht.“
     Lotti sprang empört von ihrem Stuhl auf, doch da wandte sich Angela auch schon bissig an Sandra: „Ist ja klar – eine kühle Bohnenstange wie du hätte für so eine herzige Rolle nie und nimmer gepasst.“
     „Du also auch nicht“, versetzte Sandra trocken, dann drehte sie sich um und stolzierte zu ihrem Platz.
     „Ich möcht’ sie krumm und schief prügeln“, fauchte Lotti kaum hörbar.
     „Vergiss es!“, entgegnete Angela, während sie sich setzte. „Wenn man Dummheit und Eitelkeit einfach wegprügeln könnte, hätte ich Sandra schon längst verdroschen. Mir gefällt dein Auftritt im Fernsehen jedenfalls.“
     „Aber mir überhaupt nicht“, brummte Lotti, ohne ihre Sitznachbarin anzusehen. „Ich hab’ gestern vor Ärger den Fernseher kein einziges Mal eingeschaltet.“
     Angela wollte das nicht glauben und fragte verwundert, was Lotti sonst gemacht habe.
     „Es gibt Besseres, als die ganze Zeit vor dem Fernsehkasten zu verplempern“, knurrte Lotti. Erst danach fiel ihr auf, dass sie genau das gesagt hatte, was sie einmal von ihrer Tante Annette zu hören bekommen hatte.
     „Ein Tag ohne Fernsehen – das kann ich mir nicht vorstellen“, gestand Angela.
     „Ist doch nichts dabei“, behauptete Lotti, obwohl sie insgeheim zugeben musste, dass sie fast jeden Tag vor dem Fernseher saß. Trotzdem fügte sie verdrossen hinzu: „Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich in der Karwoche einmal ganz anders fasten werde: Ich verzichte eine Woche lang aufs Fernsehen!“
     „Das glaubst du ja selber nicht, Fernsehlottchen!“ Der dicke Karl näherte sich von hinten!
     Lotti fasste augenblicklich nach ihrem Holzlineal, das auf der Schulbank lag, und wandte sich drohend nach Karl um.
     „Na, na, tu weg das Ding!“, sagte er verlegen. „Oder übst du schon für deinen nächsten Filmauftritt als japanischer Schwertkämpfer?“
     „Erraten! Komm nicht näher!“, fauchte Lotti.
     Angela lachte hell auf. Karl hob abwehrend die Hände und beschwichtigte Lotti: „Ich tu’ dir ja nichts. Ich wollte dich nur fragen ... was für eine Gage du für deinen Werbeauftritt bekommen hast.“
     „Gage?“ Lotti runzelte verwirrt die Stirn.
     „Jawohl, Gage“, wiederholte Karl. „Verstehst du? Gage; Moneten; Geld; Pinkepinke!“
     „Das geht dich einen Schmarren an!“ Lotti legte das Lineal auf den Tisch zurück, dass es krachte.
     „Sag schon, wie viel!“, drängte Karl. „Einen Hunderter? Ein paar Hunderter? Oder gar einen Tausender?“
     Lotti musterte Karl misstrauisch, dann behauptete sie: „Genau drei Millionen und achtunddreißig Cent.“
     „Achtunddreißig Cent? Warum nicht gar neununddreißig?“, spottete Karl. Gleich darauf mischte sich Otto ein: „Na sag uns schon, wie viel du für deinen Werbeauftritt kriegst!“
     Lotti blickte auch Otto misstrauisch an und brummte: „Weiß ich nicht. Den Vertrag hat meine Mutter unterschrieben. Das Geld wird auf ihr Bankkonto überwiesen; und dort bleibt es, bis ich achtzehn bin. Kapiert?“
     Die Buben ließen sich mit dieser Auskunft abspeisen und zogen sich auf ihre Plätze zurück, weil die Schulglocke gerade den Beginn der ersten Unterrichtsstunde verkündete. Nur Angela glaubte Lotti nicht und schmeichelte: „Mir kannst du’s ja verraten. Ich bin doch deine Freundin.“
     „Ach!“, erwiderte Lotti verstimmt. „Ich verrat’ dir nur eins: Nicht für eine Million würde ich mich noch einmal für so einen Schwachsinn hergeben.“ In Gedanken fügte sie hinzu: „Alles war ein Reinfall!“

Lotti lässt sich zu einer Wette hinreißen: In der Karwoche will sie einmal ganz anders fasten als sonst - sie will völlig aufs Fernsehen verzichten. Es wird eine Wette mit ungeahnten Folgen ...

 

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