Friedl, halt durch! 

Titelbild: Friedl, halt durch!


Für Jugendliche ab 13

Durchhalten!  – Aber wie, wenn man plötzlich
                                                       einen nahestehenden Menschen verliert?

Zu einer Beratung darüber, wie man die Klassengemeinschaft verbessern könnte,
hat Moritz Wecknitz ein Treffen im „Sternhäusl“ vorgeschlagen.
Friedl hält nichts davon. Er hat es noch immer nicht verkraftet,
dass sein Vater von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden ist.


Leseprobe

„Alle müssen hinkommen!“, forderte Moritz. „Für die drei Ersten gibt’s Gratisgetränke.“
    „Wer zahlt die?“
    „Die drei Letzten.“
    „Haha!“
    Das ausgelassene Lachen widerte Friedl an, und plötzlich musste er beim Namen des Lokals – „Sternhäusl“ – an den Ausdruck „sternhagelvoll“ denken. Hatte Moritz nichts anderes als ein peinliches Saufgelage im Sinn? – Anscheinend nicht, denn er versuchte seinen Mitschülern klarzumachen, wie man am Abend – ohne die Aufsicht eines „altmodischen Deutschprofessors“ – völlig ungezwungen über eine bessere Klassengemeinschaft beraten könne.
    „Wirst du hingehen?“, fragte Friedl seinen Sitznachbarn.
    „Wozu?“, erwiderte Leo. „Glaubst du, ich erwarte mir von Moritz blitzgescheite Vorträge? Mir ist die Klassengemeinschaft schnuppe. Spätestens ab Juli gehöre ich sowieso nicht mehr dazu.“
    „Ich vielleicht schon“, dachte Friedl. Er fragte auch Uschi, ob sie am Abend ins „Sternhäusl“ kommen werde. Sie wusste es noch nicht. Oft musste sie bei Hausarbeiten helfen. Pünktlich um sieben Uhr, wie Moritz wollte, würde es sich bei ihr bestimmt nicht ausgehen.
    Friedls Mutter war nicht gerade begeistert, als er ihr vom Vorhaben seiner Klasse erzählte.
    „Hättet ihr das nicht schon tun können, als es abends noch länger hell war?“, fragte sie. „Spätestens um viertel neun bist du wieder daheim! In einer Stunde werdet ihr mit euren Beratungen wohl fertig sein.“
    An wirkliche „Beratungen“ glaubte Friedl selber nicht, obwohl Moritz so etwas Ähnliches angekündigt hatte.
    „Und merk dir: keinen Alkohol!“, warnte die Mutter, als sie Friedl zur Haustür hinausließ. Friedl schüttelte den Kopf und erwiderte: „So blöd wie ein gewisser Herr D. S. bin ich nicht! Lieber lass’ ich mich erschießen.“
    Draußen war es längst dunkel und kühl, aber noch nicht frostig. Friedl konnte sich nicht daran erinnern, schon einmal einen so milden Dezember erlebt zu haben. Wenn das Wetter so blieb, wurde nichts mit „weißen Weihnachten“...
    Fast auf die Minute genau um sieben Uhr betrat Friedl das „Sternhäusl“, das in einer Gasse nahe dem Stadtpark lag und mehrere Gastzimmer hatte. Friedl brauchte nicht lange zu suchen – einige Mitschüler erkannte er schon an ihrem Geschrei, noch bevor er sie entdeckte. Sie hatten sich in einen kleinen Nebenraum zurückgezogen. Es sah aus, als wären sie fast vollzählig – ein beängstigend übermütiger Haufen! Johlend empfingen sie den Neuankömmling, und Moritz rief ihm mit erhobenem Zeigefinger zu: „Die drei Letzten zahlen für die drei Ersten!“
    „Dann geh’ ich aber pleite – oder lieber gleich wieder heim“, brummte Friedl. Die anderen lachten.
    Uschi war noch nicht da, auch Leo fehlte. Aber der hatte ohnehin gesagt, dass er nicht kommen werde. Nach kurzem Überlegen setzte sich Friedl auf den freien Platz neben Raimund Kern und begutachtete misstrauisch die Getränke seiner Mitschüler.
    Sah er recht? Die meisten hatten Bier bestellt! Auch die Mädchen! Na frohe Weihnachten ...
    Es dauerte nicht einmal eine halbe Minute, bis ein langer, dunkelhaariger Kellner an Friedl herantrat und ihn fragte, was er zu trinken wünsche. Friedl runzelte nachdenklich die Stirn. Er ärgerte sich, weil er überhaupt keinen Durst hatte und trotzdem etwas bestellen musste. Schließlich erkundigte er sich, ob er einen Apfelsaft haben könne.
    „Das gilt nicht!“ Mit einem Satz war Moritz aufgesprungen. „Wir haben uns alle zu einer feierlichen Beratung zusammengefunden – da gibt’s keine Kindergartensäfte!“
    „Wieso?“ Friedl machte ein verdutztes Gesicht.
    Entschieden wandte sich Moritz an den Kellner: „Bringen Sie dem jungen Herrn ein Bier!“
    „Ich will kein Bier!“, rief Friedl. „Ich will überhaupt nichts Alkoholisches!“
    „Keine Widerrede!“, entgegnete Moritz, ohne ihn anzusehen. „Herr Kellner, Sie bringen dem Herrn ein Bier!“
    „Nein! Bist teppert!“ Friedl stand ebenfalls auf und starrte Moritz wütend an. „Ich will das Zeug nicht!“
    „Mensch, sei kein Spielverderber!“, rief Sabine. „Das bissel Bier wirst du schon vertragen. Zu einer Klassengemeinschaft gehört auch, dass man sich ein wenig aneinander anpasst. – Grad haben wir drüber geredet.“
    „Anpasst, meinetwegen – aber nicht wenn’s um Schwachsinn geht!“, brauste Friedl auf. „Ich lass’ mich von den Geldgeiern der Alkoholindustrie nicht ausnützen! Die verdienen sich an der Blödheit der Masse dumm und dämlich und scheren sich einen Dreck drum, wenn Betrunkene sich selber oder anderen schaden.“
    „Hört, hört, der Professor hat gesprochen!“, spottete Moritz.
    „Ich weiß, wovon ich rede!“, rief Friedl. „Mein Vater hat es büßen müssen, dass ein anderer betrunken war.“
    „Warum bist du überhaupt hergekommen?“, fragte Theo vorwurfsvoll. „Nur zum Leitungswassersaufen?“
    „Bitte, meine Herrschaften!“, mischte sich der Kellner begütigend ein. „Darf ich die restlichen Bestellungen aufnehmen?“
    „Bringen Sie dem da ein Glas Babymilch!“ Theo zeigte verächtlich auf Friedl. Der war froh, dass er seine Jacke noch nicht ausgezogen hatte. Mit den Worten: „Danke, ich brauch’ nichts. Wiederschau’n“, verabschiedete er sich vom verdutzten Kellner und eilte davon. Ein schrilles Pfeifkonzert und Buhrufe durchschauerten ihn bis ins Mark. „Spielverderber“ war das letzte Wort, das er noch genau verstehen konnte.
 
Friedl ahnt sofort: Durch den Zornesausbruch hat er es sich mit seiner Klasse verscherzt. Draußen vor dem Lokal wartet er im Finstern noch eine Weile, um Uschi zu warnen. Ein Nachbar glaubt, Friedl würde zu einer gesuchten Jugendbande gehören und gerade „Schmiere stehen“. Uschi kommt nicht – aber eine Polizeistreife; und das ist nicht die einzige Unannehmlichkeit, die auf Friedl lauert...

 

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