Für Kinder ab 12
Die beste Mama, die man sich denken kann...
... ist Frau Sonnleitner, die Mutter von Dieters neuem Freund Schorschi.
Obwohl sie sogar studiert hat und zwei Fremdsprachen beherrscht,
geht sie nicht
auswärts arbeiten, sie bleibt lieber zu Hause bei ihren fünf Kindern.
Aber wenn
es drauf ankommt, beweist sie, dass Kochtöpfe und Gemüsebeete
nicht das
Wichtigste für sie sind...
Fast
jedes Mal wiederholte sich dasselbe Spiel: Dieter und die Kinder aus der
Leitenwegsiedlung vergnügten sich auf dem Eis; nach einer Weile kreuzte Rupert
mit seiner Bande auf, und schon hieß es: „Abflug!“
Schorschi
ärgerte sich am meisten und wünschte Rupert insgeheim, er solle im Eis
einbrechen und sich „den Hintern erfrieren“. Leider passierte so ein
Missgeschick nicht Rupert, sondern Schorschi. Seine Schwester Angelika und
Dieter hatten große Mühe, ihm mit langen Stecken aus dem eiskalten Wasser
herauszuhelfen. Dabei mussten sie aufpassen, dass sie nicht selber einbrachen.
Rupert und dessen Freunde schauten aus sicherer Entfernung zu und lachten
schadenfroh.
„Ja,
ja, lacht nur blöd! Gescheit lachen
könnt ihr sowieso nicht!“, rief Angelika bissig.
„Mach
deinen Schnabel zu, sonst gehst du auch gleich baden!“, drohte Rupert.
Angelika
erwiderte nichts. Sie wusste, dass es wichtiger war, ihren Bruder schleunigst
nach Hause zu bringen. Schorschi schlotterte vor Nässe und Kälte.
„An
allem sind nur diese Lammersdorfer Trottel schuld!“, heulte er. „Immer
verdrängen sie uns auf die schlechtesten Eisflächen!“
Schorschi
überstand das feuchtkalte Abenteuer ohne ernsthafte Erkrankung. Ein paar Tage
später konnte er – nur leicht verschnupft – wieder zur Teichwiese gehen.
Diesmal nahm er Verstärkung mit: alle seine
Geschwister, selbstverständlich auch Dieter, außerdem seine Nachbarn
Gerhard, Erwin und Otto – und noch
jemanden...
Fast
pünktlich zur gewohnten Zeit kamen die Lammersdorfer mit ihren
Eishockeyschlägern anmarschiert. Sie zogen missmutige Gesichter, als sie auf
dem Teich eine unerwartet große Anzahl von „Leitenweglumpen“ bemerkten.
Trotzdem rief Rupert wie üblich: „Abflug!“
Die
„Leitenweglumpen“ taten, als wären die Lammersdorfer gar nicht da.
„Was
ist denn heut’ mit denen los?“,
wandte sich Rupert verdutzt an seine Truppe. Auf einmal platzte Napoleon
heraus: „Schaut, was die für
jämmerliche Eishockeyschläger haben! Das sind ja hundsgewöhnliche Stecken!“
„Und
richtigen Puck haben sie auch keinen!
Nur eine verbeulte, alte Lederwuchtel!“, fügte der Kaiser von China spöttisch
hinzu.
„Ich
glaube, wir müssen hier für klare Verhältnisse sorgen“, knurrte Rupert. Er
holte tief Luft und brüllte in Richtung Eisfläche: „Habt ihr nicht gehört?!
Abflug!!!“
Da
löste sich aus der Gruppe der „Leitenweglumpen“ eine lange Gestalt mit dicker
Windjacke und bunter Pudelmütze, flitzte auf Schlittschuhen daher und bremste
so scharf vor Rupert ab, dass die Kufen kreischten.
„Was
heißt hier ‚Abflug‘, bitte schön? Ich seh’ nirgendwo in der Nähe einen
Flughafen“, sagte die Gestalt.
Rupert
erschrak über die fremde Frauenstimme.
„Das
ist unser Platz ... normalerweise“,
erwiderte er verunsichert.
„Wenn
er euch gehört, müsstet ihr ihn
gekauft haben – normalerweise“, versetzte die Frau ruhig. „Dürfte ich den
Kaufvertrag sehen, bitte schön?“
Rupert
glotzte sie verblüfft an; und als die anderen „Leitenweglumpen“ näher kamen und
sich mit teils gespannten, teils spöttischen Mienen um die Frau drängten,
wusste er nicht mehr, was er sagen sollte.
„Es
gibt also keinen Kaufvertrag“, sprach
die Frau gelassen weiter. „Schön – dann gilt
der Wahlspruch: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wir waren zuerst da. Ihr könnt ja den sonnigen Teil der Eisfläche
für euch haben. Aber passt auf, da ist vor kurzem angeblich jemand
eingebrochen.“
Die
beiden Mädchen, die zu den „Leitenweglumpen“ gehörten, fingen zu kichern an;
und der Stärkste von den Burschen, von dem die Lammersdorfer wussten, dass er
Walter hieß, sagte zu Rupert: „Keine Angst, wir wollen euch nicht vertreiben.
Wir würden sogar gern einmal zu einem Spiel gegen euch antreten, falls ihr euch
traut. Wie wär’s?“
Rupert
guckte nicht besonders schlau drein. Als er endlich begriffen hatte, worum es
ging, zeigte er auf den Stecken seines Herausforderers und erwiderte
verächtlich: „Ihr habt ja nicht einmal richtige Eishockeyschläger.“
„Wir
spielen nicht Eishockey. Wir spielen Steckenball – auf Eis“, klärte Walter
seinen Gegner auf. „Wenn ihr eure Schläger umdreht, könnt ihr sie als
Steckenballstecken verwenden.“
„Steckenball... was?“ Rupert schaute verwirrt drein. Da wandte sich Walter
an Schorschi: „Sei so gut und erzähl’ denen etwas über die Spielregeln,
Brüderchen! Ich stelle inzwischen die Türme neu auf. Für zwei große
Mannschaften brauchen wir mehr Platz.“
Die
Lammersdorfer ließen sich überrumpeln. Sie waren zu zwölft, ihr Gegner nur zu
sechst – die beiden Mädchen, die fremde Frau und der Kleinste von den Buben
sahen bestimmt nur zu. Außerdem hörten sich die Spielregeln einfach an. Warum
sollte man auf den Genuss verzichten, den Leitenweglumpen eins auszuwischen?
Diese Dummköpfe bestanden nicht einmal darauf, dass jede Mannschaft gleich
viele Spieler hatte ...
Die
Lammersdorfer täuschten sich. Erstens mussten sie nicht bloß gegen sechs,
sondern gegen neun Spieler antreten:
Die zwei Mädchen und die Frau spielten mit – sogar verblüffend gut! Zweitens
ließ sich die träge „Lederwuchtel“ mit den verkehrt gehaltenen
Eishockeyschlägern nicht so leicht wegschießen wie mit den schweren
„Steckenballstecken“. Die Lammersdorfer gerieten bald ins Schwitzen – vor
lauter „fischen“! Mit ihrer gewohnten rohen Spielweise verstießen sie immer
wieder gegen die Regel, dass man mit dem Stecken nicht den Gegner berühren
durfte, und dadurch handelten sie sich jedes Mal einen Strafstoß ein. Nach
zwanzig Minuten lagen sie hoffnungslos mit eins zu acht im Rückstand. Nach
dreißig Minuten gaben sie auf und trollten sich wie geprügelte Hunde davon –
nicht ohne vorher mit wütenden Mienen über die „tepperten Spielregeln“ geflucht
zu haben.
Die
Steckenballbande jubelte ausgiebig.
„Wenn
das meine Mutti miterlebt hätte!“,
dachte Dieter. Er beneidete Schorschi und dessen Geschwister ein bisschen um
ihre Mama. Wie sie den langen Rupert abgefertigt hatte, das war ein Heidenspaß
gewesen! Obendrein hatte sie beim Spiel zweimal den gegnerischen Turm
abgeschossen – doppelt so oft, wie die gesamte Lammersdorfer Truppe den Turm
der Steckenballbande getroffen hatte!
„Mama,
du warst heut’ die Allerbeste!“, jauchzte Hubsi, und Fini fügte übermütig
hinzu: „Das nächste Mal nehmen wir Papa auch noch mit, dann gewinnen wir
tausend zu null!“
Die
Mama lachte. Anscheinend dachte sie nicht daran, wie der Papa sie einmal als
„naiv“ bezeichnet hatte, weil sie mit den Kindern Steckenball spielen wollte.
Dieter hingegen erinnerte sich jetzt genau daran; und er glaubte nicht so wie
Fini, dass ihr Papa diesmal mitgespielt hätte. Herr Sonnleitner war zwar auch ein netter Mensch; aber irgendwie
war er ganz anders als die Mama: nicht wie ein großes Kind, das noch immer gern
spielte...
Bald findet Dieter über Herrn Sonnleitner etwas heraus, was ihn beunruhigt. Dieters Verdacht bestätigt sich – und plötzlich sieht es so aus, als müssten Schorschi und seine Geschwister dasselbe durchmachen, was Dieter schon mit seinem eigenen Vater erlebt hat...
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zu diesem Buch:
Titel: "Liebe Mama"
von Toni Traschitzker
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